Der Flusskrebs in Oberfranken

 

Autor: Helmut Pohl

 

Krebsfang

Carl Larsson (1853 - 1919): Krebsfang (Ausschnitt)

 

  1. Einleitung
  2. Die Krebsfischerei hatte früher in vielen Ländern eine große Bedeutung. Wesenberg-Lund schreibt 1939, dass in Paris allein im Jahr 1868 sechs Millionen Krebse mit einem Umsatzwert von ca. 400.000 Francs verspeist wurden, die Schweden gaben ca. eine halbe Million Kronen jährlich für die Süßwasserkrustentiere aus [1]. In noch weiter zurückliegenden Publikationen wird von – aus heutiger Sicht durchaus merkwürdigen – Verwertungen berichtet. So schreibt das "Brehms Tierleben" von 1893, " ... daß die älteren Pharmakopöen die Krustentiere nicht übersahen, läßt sich denken: pulverisierte Krebssteine waren als lapides concorum ein Spezifikum gegen Magensäure, obwohl man ebensogut Kreide verwenden konnte, und, da die alten Apotheker gern das Widerliche zusammengossen, durften Kellerasseln, innerlich gegen Harnbeschwerden gegeben, nicht fehlen ..." [2].

    Wir hatten als Buben natürlich keine Ahnung von derartigen Verwendungen der Krebse. Ich kann mich noch gut an unseren Krebsbach erinnern, der östlich von Erkersreuth ab der Eisenbahnlinie Selb-Plößberg – Asch etwa zwei Kilometer durch Wiesen und Moore mäandrierte und bei Schatzbach in den Selbbach mündete. Der Bach war – besonders zur Laichzeit – voller gut genährter Bachforellen. Ist man an den Bach herangetreten, haben sich die Fische flugs unter dem ausgehöhlten Ufer versteckt. Es erforderte einiges Geschick, sie mit bloßen Händen dort hervorzuholen. Nicht selten passierte es, dass durch ein heftiges Zwicken am Finger ein anderer Höhlenbewohner auf sich aufmerksam machte: der Krebs. Er war als Beifang durchaus erwünscht, stellte er als Vorspeise doch eine erhebliche Bereicherung der Fischmahlzeit dar. Wollte man ihn gezielt fangen, brauchte man nur die zahlreichen Steine am Bachgrund umzudrehen. Unter jedem größeren Stein hockte ein Krebs.

    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass uns irgendwelche Schonbestimmungen – die es sicherlich gab – gänzlich unbekannt waren. Und die örtliche Grenzpolizei hatte andere Sorgen als Buben, die am Bach spielten, zu kontrollieren. Paradiesische Zeiten, wie man meinen möchte. Es ist uns früher in all den Jahren nicht gelungen, den Forellen- und Krebsbestand des Baches nennenswert zu beeinträchtigen. Er war jahraus jahrein voller Leben.

    Neben den Forellen und den Krebsen gab es eine Kleinfischart, die wir mit selbstgefertigten kleinen Kescherchen fingen und im Kaltwasseraquarium zum Teil über viele Wochen halten konnten. Wir nannten sie Rotflosser. Heute weiß ich, dass es Elritzenmilchner in der Laichzeit waren. Im Bach standen die Elritzen in Schwärmen in jeder ruhigen Kurve. Unsere gelegentlichen Fänge vermochten ihrem Bestand nichts anzuhaben.

    Obwohl der Krebsbach zwei Teiche ohne Umlauf durchfloss, schafften es die Forellen vom Selbbach her, zum Laichen aufzusteigen. Es waren eher offene Teiche ohne Mönch mit flachen, kaum gitterbewehrten Überläufen. Es sollte ernsthaft überlegt werden, ob man nicht wieder zu dieser offenen Teichwirtschaft zumindest an bachnahen Lagen zurückkehren sollte. Die Teiche haben für den Krebsbestand eine durchaus wünschenswerte Pufferfunktion in Bezug auf den pH-Wert und die Wasserführung. Ein zu niedriger pH-Wert, wie er in den Urgesteinslagen Oberfrankens durchaus vorkommen kann, führt über längere Zeit zu einer Bestandsbedrohung beim Edelkrebs. Nachteilig könnten sich allenfalls eine zu große Anzahl und die Art der Bewirtschaftung der Teiche auswirken.

    Beim Ablassen der Teiche im Herbst waren wir natürlich dabei. Die Teichbesitzer freuten sich regelmäßig über den stattlichen Forellenbeifang, dem keinerlei Besatz vorausgegangen war. Der Hauptwirtschaftsfisch war ohne Frage der Karpfen, der damals schon für 2,50 DM bis 3,00 DM je Pfund gehandelt wurde. Das war in den 50er Jahren eine Menge Geld. Daneben fanden sich viele kleine Grundfische, die von älteren Bewohnern Schatzbachs zu einer schmackhaften Grundelbrühe verarbeitet wurden. Die Leute haben alles Essbare verwertet, schließlich hatten sie schlechte Zeiten durchgemacht. Bis auf einen Teich- und Bachbewohner, dem wenig Geschmack abgewonnen werden konnte. Es war eine komische schwarze Muschel, innen mit einer Perlmuttschicht ausgekleidet. Kein Massenvorkommen, aber hier und da war sie anzutreffen. Wir Buben haben sie, bedingt durch ihre offenkundige Nutzlosigkeit, in Ruhe gelassen.

    Heute gibt es im Krebsbach keine zum Laichen aufsteigenden Bachforellen, keine Elritzen, keine Krebse und erst recht keine Bach- oder Perlmuscheln mehr. Der Bürgermeister von Erkersreuth hatte Ende der 60er Jahre den glorreichen Einfall, oberhalb von Schatzbach ein Freibad, gespeist vom Krebsbach, einzurichten. Aus diesem Projekt ist aus finanziellen Gründen gottseidank nichts geworden. Aber die im Zuge der Badeanstaltsplanung scheinbar erforderlichen Vorarbeiten wurden zügig durchgeführt. Der Bach wurde von der Quelle bis nach Schatzbach begradigt und zum Teil mit flachen Steinen befestigt. Den Bauern war’s recht. Sie konnten im Zuge dieser Maßnahmen ihre alten Wiesen entwässern und der landwirtschaftlichen Nutzung zuführen. Heute ist es ihnen möglich, bis unmittelbar an den Bach mit Gülle zu düngen. Gelegentlich hat man den Eindruck, dass diese Flächen eher der Entsorgung überquellender Güllegruben denn einer gezielten landwirtschaftlichen Nutzung.

    Anfang der 80er Jahre hat der Sportfischerverein Schönwald e. V., dessen Geschäftsführer ich seinerzeit war, den größten Teich in einer Kette von mittlerweile sieben Teichen am Krebsbach langfristig gepachtet. Natürlich habe ich mich gleich an die unbeschwerten Kindheitstage am Bach erinnert. Leider war aus den oben genannten Gründen kein nennenswertes Leben im Bach mehr anzutreffen.

    Das Ufer des gepachteten Teiches war mittlerweile wasserseitig mit vielen Erlen bewachsen, deren Wurzelwerk teilweise offen in das Wasser ragte. Mir war sofort klar, dass dies eine ideale Voraussetzung für die Wiederansiedelung des Edelkrebses war. Schon die ersten Besatzversuche verliefen ausgesprochen vielversprechend. In den Jahren 83 bis 88 haben wir regelmäßig Krebse aus heimischen Beständen gesetzt. Der Besatz wurde vom Bezirk Oberfranken und durch die Fischereifachberatung großzügig und tatkräftig unterstützt.

    Heute weist der Teich einen stabilen und gesunden Edelkrebsbestand auf, der von außen keinerlei Unterstützung mehr bedarf. Allenfalls eine genetische Auffrischung scheint in nächster Zeit wünschenswert. Die männlichen Krebse dürfen entsprechend den gesetzlichen Schonbestimmungen gefangen werden. Dies stellt durchaus eine unterhaltsame Alternative zur ansonsten recht beliebten Aalangelei dar. Es sollte vom Gesetzgeber überlegt werden, ob der Krebsfang nicht in den selben Nachtstunden wie der Aalfang erlaubt werden kann. Schließlich ist der Edelkrebs ebenso ein nachtaktives Tier.

     

  3. Flusskrebsarten in Oberfranken
  4. Es gibt vom Flusskrebs wahrscheinlich nur zwei Gattungen mit 10 Arten. In Europa ist die Gattung Astacus mit 5 Arten vom Ural bis nach Irland und Spanien vertreten [3].

    Der Edelkrebs (Astacus astacus) ist von Südskandinavien über Mitteleuropa bis zum Balkan im Süden und bis zu den Pyrenäen im Westen zu finden. Er unterscheidet sich vom Sumpfkrebs durch die Rotfärbung der Unterseite der Scheren und Beine und er wird deutlich größer als der Steinkrebs, bei uns etwa 15 cm im Gegensatz zu kaum mehr als 10 cm des Steinkrebses. Der Edelkrebs kann sehr unterschiedlich gefärbt sein [4]. Die Farbunterschiede sind genetisch bedingt [5]. Wir finden in unserem Vereinsgewässer graue, braune und blaue Tiere nebeneinander.

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    Abbildung 1: Edelkrebs, Normalfärbung. Aufnahme: Bezirk Oberfranken, Fachberatung für Fischerei, Bayreuth 1993

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    Abbildung 2: Edelkrebs, blau. Aufnahme: Bayerische Landesanstalt für Fischerei

    Der Sumpf- oder Galizierkrebs (Astacus leptodactylus) ist ein typischer Vertreter Osteuropas. Seine Verbreitung findet an der Oder ihre natürliche Grenze. Gelegentlich wurde der Sumpfkrebs in Mitteleuropa eingeführt, so auch nach Oberfranken.

    Der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) ist in Oberfranken in natürlichen Vorkommen vertreten. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Rumänien und Mazedonien bis ins Quellgebiet der Donau im Westen und bis an die Mosel und den Main im Norden.

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    Abbildung 3: Steinkrebs. Aufnahme: Bayerische Landesanstalt für Fischerei

    Der Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) ist ein typischer West- und Südeuropäer. Er kommt in Irland, Spanien und Frankreich bis an den Rhein sowie in Italien, in der Schweiz und in Kärnten bis nach Dalmatien vor.

    Der Vollständigkeit halber sei noch Astacus pachypus erwähnt, der das Küstengebiet des Schwarzen und des Kaspischen Meeres besiedelt.

    Neben diesen europäischen Arten sind noch zwei nordamerikanische Einwanderer zu nennen, soweit sie in Oberfranken vorkommen. Schon 1890 wurde als Ersatz für den fast ausgestorbenen Edelkrebs der krebspestresistente Kamberkrebs (Orconectes limosus – auch "Amerikanischer Flusskrebs") in einem Odernebenfluss ausgesetzt. Heute tritt er in Mitteleuropa in Weichsel, Oder, Elbe, Rhein, Neckar und Main sowie deren Einzugsgebieten auf. Er wird bei uns kaum größer als der Steinkrebs und ist von diesem durch die braunroten Querbänder auf dem Schwanzrücken leicht zu unterscheiden. Sein natürliches Verbreitungsgebiet reicht von Maine bis Virginia.

    Der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) ist heimisch an der Westküste Nordamerikas [6]. Eingeführt wurde er zuerst in Schweden vor über 40 Jahren und in etwa tausend Seen und Flüssen ausgesetzt. Der Signalkrebs wird mittlerweile in Deutschland sowie in einem weiteren Dutzend europäischer Länder nachgewiesen. Sein Besatz gilt wegen der Verdrängungs- und Krebspestübertragungstendenz als problematisch. Zudem ist bei uns der Besatz von Gewässern mit dem Signalkrebs durch das Bayerische Naturschutzgesetz verboten. Vom Edelkrebs unterscheidet er sich durch leuchtend helle Flecken am Scherengelenk sowie durch blaugrüne Gelenkquerbänder. Von daher hat er wohl auch seine Bezeichnung als Signalkrebs. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal sind auch die glatten Seitenränder der Nackenfurche im Gegensatz zu den bedornten Rändern beim Edelkrebs.

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    Abbildung 4: Signalkrebs, gut zu erkennen die leuchtend hellen Flecken an den Scherengelenken. Aufnahme: Susanne Hochwald, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Biogeographie, 1999

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    Abbildung 5: Signalkrebs in Abwehrstellung. Wie dieses Bild eindrucksvoll zeigt, können beim Signalkrebs ebenso wie beim Edelkrebs die Unterseiten der Scheren rot gefärbt sein. Dies ist demnach kein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Arten. Aufnahme: Susanne Hochwald, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Biogeographie, 1999

    Wenn in diesem Artikel in der Folge vom Flusskrebs oder Krebs allgemein die Rede ist, dann bezieht sich der Autor im Regelfall auf den Edelkrebs.

     

  5. Lebensweise und Fortpflanzung
  6. Krebse gelten als Allesfresser. In der Jugend bevorzugen sie pflanzliche Nahrung, später nehmen sie durchaus gerne auch Kleintiere wie Würmer, Schnecken, Insektenlarven und Fische, soweit sie ihrer habhaft werden können. Die Scheren dienen den Krebsen zur Zuführung der Nahrung zum Mund und eher zur Abwehr von Feinden denn zum räuberischen Fang von Nährtieren. Es kommt gelegentlich auch zu Kannibalismus, der keine Bestandsbedrohung darstellt. Allerdings werden durch das Fressen kranker Artgenossen deren Krankheitserreger häufig auf gesunde Tiere übertragen und somit die Verbreitung dieser Krankheiten gefördert (Porzellankrankheit).

    Der Krebs bevorzugt als Lebensraum reich gegliederte Ufer, in die er sich unter Umständen Höhlen graben kann. Als ideal gilt ein Uferbewuchs, der das Ufer befestigt und der durch ins Wasser reichendes Wurzelwerk gute Unterstandsmöglichkeiten bietet. Erlen und Weiden, die ohnehin die natürlichen Bachbegleiter in Oberfranken sind, stellen diesen Idealbewuchs am Ufer dar. Sie bieten neben den Versteckmöglichkeiten für den Krebs durch das Falllaub auch eine gute Nahrungsgrundlage für den Jungkrebs.

    In Oberfranken kommt der Edelkrebs sowohl in Bächen als auch in Teichen mit extensiver fischereilicher Nutzung vor. Wichtig ist aber für beide Gewässertypen der Uferbereich wie oben beschrieben. Ferner sollten die ufernahen Wiesen nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Der Eintrag von Düngemitteln, insbesondere Gülle, sowie Insektiziden in den Bach schädigt vorhandene Krebsbestände dauerhaft und lässt eine Wiederansiedelung häufig nicht mehr zu.

    Tagsüber hält sich der Krebs in seiner Höhle auf. Seine nächtlichen Wanderschaften sind räumlich eng begrenzt. In einer Untersuchung in einigen Bächen nordöstlich von Rehau konnte die Biologin Elke Zahner-Meike nachweisen, dass einzelne Exemplare durchaus auch Strecken bis zu 100 Metern zurücklegen und zwar nicht nur in Fließrichtung, sondern auch gegen die Strömung. Die Mehrzahl der Krebse blieb jedoch in einem Radius von 25 Metern, so dass von einer gewissen Standorttreue des Krebses ausgegangen werden kann [7].

    "Über die Begattung der Krebse wissen wir nicht gerade allzuviel, doch dürfte dieselbe häufig ein recht stürmischer Akt sein, wie sich aus oft so bedeutend entwickelten Fraß- und Klammerorganen der Männchen schließen lassen dürfte, die kaum notwendig wären, wenn die Weibchen ein besonders entgegenkommendes Wesen zeigten." [8] Diese zum Teil recht amüsante Beschreibung des Fortpflanzungsaktes in "Brehms Tierleben" von 1893 trifft ziemlich genau den Kern der Sache. Heute weiß man, dass der Begattung tatsächlich eine kampfähnliche Situation vorausgeht [9]. Der männliche Krebs versucht, das Weibchen auf den Rücken zu werfen, durchaus nicht mit deren Einverständnis. Dass das Weibchen bei diesem Geschlechterkampf Scheren und Beine verlieren kann, ist anscheinend nicht so tragisch. Sie wachsen im Zuge der nächsten Häutungen langsam wieder nach.

    Diese Vorgänge finden in der Paarungszeit im Herbst statt (Oktober/November). Das Männchen klebt mit seinen Begattungsfüßen (Griffelpaaren) das Sperma in der Nähe der Geschlechtsöffnungen des Weibchens fest. Die Befruchtung der Eier erfolgt nach deren Ablage in einer aus Legeschleim gebildeten Legekammer Mitte November bis Mitte Dezember. Die Eier, etwa 60 bis 200 Stück, werden durch den Legeschleim auf Stielen an den Schwimmbeinen festgeklebt. Während der langen Tragezeit bis ins späte Frühjahr, Mitte Mai bis Mitte Juni, zieht sich das Weibchen in ihre Höhle zurück und schränkt die Nahrungsaufnahme ein. Es darf in dieser Zeit zu keiner Häutung kommen, die zum Verlust der Brut führen würde. Dieses Verhalten erklärt vermutlich auch, weshalb in der Tragezeit mit der Reuse oder mit dem Krebsteller fast ausschließlich Männchen gefangen werden. An den Griffelpaaren am Schwanzansatz lassen sich im Übrigen die Männchen sehr gut von den nicht eiertragenden Weibchen unterscheiden. Dies ist wichtig in Hinblick auf die gesetzlichen Schonbestimmungen.

    [Grafik]

    Abbildung 5: Eiertragendes Edelkrebsweibchen. Aufnahme: Elke Zahner-Meike, 1995

    Nach dem Schlüpfen der Brut (lediglich ein Viertel bis ein Drittel der Eier) Ende Mai bis Mitte Juni bleiben die Jungkrebse bis zur ersten Häutung nach etwa 10 Tagen noch an den Schwimmfüßen des Muttertieres haften. Danach machen sie sich selbständig, kehren aber bei Gefahr unter den Schwanz des Weibchens zurück. Nach etwa weiteren 14 Tagen und der zweiten Häutung werden die Jungkrebse endgültig selbständig.

    Die Weibchen haben nach dieser langen Zeit der Enthaltsamkeit viel nachzuholen. Sie steigern ihre Fressaktivität enorm und wirken in dieser Zeit insgesamt aktiver als die Männchen. Wären Krebse Menschen, dann wäre vielleicht in der langen Tragezeit und den damit verbundenen Unbequemlichkeiten die Erklärung für den aktiven Widerstand der Weibchen gegen den Begattungsakt zu suchen.

     

  7. Krankheiten und Parasiten
  8. Der Krebsegel heftet sich mit einem Saugnapf am Krebs fest und weidet den Krebs ab. Es ist nicht bekannt, dass er das Blut des Krebses saugen würde. Für den Krebsbestand hat er kaum Bedeutung [10].

    Wie bei den Fischen auch finden sich im Krebsinnern Saugwürmer und Bandwurmfinnen sowie das sporenartige Kleinlebewesen Psorospermium haeckeli [11]. Eine bestandsgefährdende Beeinträchtigung des Flusskrebses durch Innenparasiten mit Ausnahme der Krebspest ist nicht bekannt.

    Die Porzellankrankheit ist am weiß durchschimmernden Muskelfleisch an der Unterseite des Krebsschwanzes zu erkennen. Ausgelöst wird sie durch ein Mikrosporidium und führt nach ein bis zwei Jahren zum Tod des befallenen Krebses. Vermutlich wird die Krankheit durch das Fressen von Artgenossen übertragen. Damit dient die Porzellankrankheit der natürlichen Bestandsregulierung. Ein Zusammenbruch ganzer Populationen ist dagegen nicht zu erwarten.

    Ganz anders sieht dies bei der Krebspest aus. Diese Seuche vernichtet ganze Bestände einer Fließgewässerstrecke oder eines Sees. Erreger ist der Fadenpilz Aphanomyces astaci. Er dringt durch die Haut des Krebses in das Nervensystem vor und tötet den Krebs sehr zuverlässig in kurzer Zeit. Durch Schwarmsporen verbreitet sich der Fadenpilz rasch im gesamten Gewässer.

    Die Krebspest ist in Mitteleuropa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgetreten und hat im Laufe der Zeit große Teile der Flusskrebsbestände vernichtet. Besonders betroffen waren die skandinavischen Länder, in die der Flusskrebs zwar erst Mitte des 16. Jahrhunderts eingeführt, aber schnell zu einer beliebten Volksspeise wurde.

    Zur Bekämpfung der Krebspest wurden in Norwegen und Schweden Versuche mit elektrischen und chemischen Sperren in natürlichen Gewässern ohne nennenswerten Erfolg durchgeführt. Auch war es in Schweden kaum möglich, Seen, die einmal von der Krebspest befallen waren und deren Edelkrebsbestand vollständig vernichtet worden war, erfolgreich wieder zu besetzen. Nach dem Besatz ist die Krebspest regelmäßig erneut ausgebrochen [12]. Die schwedischen Erfahrungen lassen kaum hoffen, dass es in Mitteleuropa in absehbarer Zeit möglich sein wird, den Edelkrebs in seinen ursprünglichen Lebensräumen großflächig wieder anzusiedeln. Umso wichtiger erscheint die Erhaltung und Pflege der Restinselbestände, wie wir sie auch in Oberfranken finden.

    In ablassbaren Teichen kann durch eine Desinfektionskalkung die Krebspest, wie andere Fischkrankheiten auch, bekämpft werden. In Seen und Flüssen ist dies unmöglich. Der Besatz mit krebspestresistenten [13] Signal- oder Kamberkrebsen ist problematisch, weil gesunde aber infizierte Tiere als Überträger auftreten können. Und selbst wenn seuchenfreie Signalkrebse gesetzt werden sollten, was nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz ohnehin verboten ist, wirkt sich dies auf den Flusskrebsbestand negativ aus, weil der Signalkrebs durch die höhere Aktivität und Reproduktion die heimischen Krebsarten verdrängt [14]. Außerdem nimmt der Signalkrebs den schutzsuchenden Bodenfischarten den Lebensraum, in dem er die Unterstände besetzt und gegen Eindringlinge aller Art verteidigt [15]. Vorhandene Signalkrebspopulationen sollten deswegen konsequent befischt und ausgedünnt werden.

    Ein gutes Beispiel bietet der Ailsbach von Wünschendorf bis Oberailsfeld. Auf einer Länge von ca. 2 ½ km bachabwärts findet sich eine starke Population des Signalkrebses, dann folgen etwa 800 Meter krebsfreier Bachlauf und danach etwa 1.100 Meter Steinkrebsbestand. Der Signalkrebs ist offenkundig seuchenfrei, sonst wäre der darunterliegende Steinkrebs längst verschwunden. Dennoch besteht kein Anlass zur Sorglosigkeit. Es ist zu befürchten, dass sich der pazifische Einwanderer bachabwärts – wenn auch langsam – ausbreitet und den heimischen Steinkrebs sowie die angestammten Bodenfischarten verdrängt.

     

  9. Vorkommen in Oberfranken
  10. Der Bezirk Oberfranken hat 1993 einen Fischartenatlas für Oberfranken herausgegeben. Auf diese Angaben stützen sich die folgenden Ausführungen der Flusskrebsvorkommen in Oberfranken [16].

     

    1. Der Edelkrebs
    2. Die Biologin Elke Zahner-Meike hat in ihrer Untersuchung 1995 nachgewiesen, dass in den untersuchten Gewässern im nördlichen Fichtelgebirge eine Bestandsdichte von bis zu anderthalb Edelkrebsen je Meter Uferlänge anzutreffen ist [17]. Offensichtlich sind in diesem Teil Oberfrankens die Voraussetzungen für den Edelkrebs als gut bis ideal einzustufen. Dies lässt für die Zukunft durchaus hoffen. Nicht zufällig finden wir in diesem Raum auch eines der bedeutendsten Vorkommen der Perlmuschel in Mitteleuropa.

      Auch gefördert durch verschiedene Besatzmaßnahmen kann in Oberfranken heute von einer guten Verbreitung des Edelkrebses ausgegangen werden. Besonders gute Bestände finden wir neben den von Zahner-Meike untersuchten Bächen im Grimmsteich bei Erkersreuth, im Freizeitsee Lichtenberg, in manchen Floßteichen im Frankenwald sowie im Heinersreuther Bach bei Bad Berneck. Aus früheren Publikationen geht hervor, dass darüber hinaus in zahlreichen anderen Gewässern Oberfrankens Edelkrebsbestände zu finden sind. Klupp zählt 1985 über 30 verschiedene Strecken auf [18]. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gesamtsituation in Oberfranken eher besser geworden ist. Darauf deutet auch die Schadtsche Untersuchung im Auftrag des Bezirks Oberfranken hin. Auf der Grundlage dieser Untersuchung wurde folgende Edelkrebskarte für Oberfranken erstellt.

      [Grafik]

      Abbildung 6: Edelkrebsatlas, Quelle: Schadt, J.: Fische, Neunaugen, Krebse und Muscheln in Oberfranken, Bezirk Oberfranken (Hrsg.), Bayreuth 1993, S. 103

       

    3. Andere Flusskrebsarten
    4. Der Steinkrebs gilt in Oberfranken als stark gefährdet. Zu finden ist er noch im Ailsbach, im Zenbach, im Oberlauf der Mittelebrach in der Lochau und im Bibersbach an der Eger. Als ungefährdet kann dagegen der Sumpfkrebs in Oberfranken gelten. Offensichtlich als Ausgleich für die Verluste durch die Krebspest hat man in verschiedenen Teichen diesen Osteuropäer gesetzt. In diesen Teichen ist er heute noch zu finden. Ein Besatz in Fließgewässer erscheint nicht sinnvoll. Der Kamberkrebs ist als importierte Krebsart nicht gefährdet und in Oberfranken auch wenig erwünscht. Dennoch lassen sich beachtliche Bestände nachweisen, so im Main bis Altenkunstadt, in der Rodach bis Redwitz, in der Itz bis nach Rattelsdorf und in der Baunach bis Baunach. In der Regnitz und dem Bereich ihrer unteren Nebenflüsse wurden nur vereinzelt Kamberkrebse nachgewiesen. Der Signalkrebs ist, wie schon erwähnt, im Ailsbach zu Hause. Wegen der Unwissenheit mancher Teichwirte ist zu befürchten, dass er auch in einigen Teichen ausgesetzt wurde und von da unter Umständen in die Vorfluter gelangt ist. Allerdings gibt es keine Untersuchungen, die diese Vermutung bestätigen. Es könnte sein, dass der Signalkrebsbestand im Ailsbach auf diese Weise zu Stande kam.

      Einen Exoten, der wohl aus anliegenden Teichen ausgewandert ist, konnte Elke Zahner-Meike im Mähringsbach bei Rehau nachweisen: der Rote Amerikanische Sumpfkrebs (Procambarus clarkii). Seine Anwesenheit in Oberfranken könnte auch auf die Unart mancher Aquarianer zurückzuführen sein, überflüssige oder zu groß gewordene "Haustiere" einfach in das nächste Gewässer auszusetzen. Unter unseren klimatischen Bedingungen, zumal im Fichtelgebirge, ist die Vermehrung dieses Bewohners der Subtropen wohl eher unwahrscheinlich. In Südeuropa dagegen bildet er vermehrungsfähige Populationen [19].

      [Grafik]

      Abbildung 7: Roter Amerikanischer Sumpfkrebs aus dem Mähringsbach bei Rehau, Aufnahme: Elke Zahner-Meike, 1995

       

  11. Fazit
  12. Der Edelkrebs ist vom Massenvorkommen in unseren Flusssystemen noch Ende des letzten Jahrhunderts heute bis auf wenige Inselpopulationen in den Oberläufen geschrumpft. Auf Dauer ist zu befürchten, dass dies zu genetisch unterscheidbaren Populationen führen kann und wohl schon geführt hat [20]. Dies gilt nicht nur für Oberfranken, sondern für ganz Mitteleuropa.

    Auslöser für das beinahe Aussterben des Edelkrebses wahr wohl in erster Linie das Auftreten der Krebspest. Ist ein Fluß oder ein See erst infiziert, scheint die Wiederansiedelung so gut wie ausgeschlossen. Als Ursache kann der vom Menschen verursachte Krebstourismus gelten. Es gibt Hinweise darauf, dass schon zu prähistorischen Zeiten Krebse von Menschen transportiert und in andere Gewässer verfrachtet wurden [21].

    Als weitere Ursache kommen die zumindest vorübergehend sehr starke Verschmutzung unserer Flüsse und Seen in Betracht, sowie die Begradigung und Uferverbauung auch kleinster Fließgewässer. Ein Bach, der auf die Funktion zur Wiesenentwässerung degradiert ist, hat als Biotop für vielfältiges Leben ausgedient.

    Schließlich ist die Unsitte vieler Fischereiberechtigter zu nennen – Bezirksfischereiverordnung hin oder her – ihre Gewässer mit standortfremden Fischen zu bestocken. Hier ist insbesondere der Aal zu nennen, der wohl als größter Feind des Krebses bezeichnet werden darf. Auf Grund seines Körperbaues und seiner Lebensweise kann er dem Krebs in jedes Versteck folgen. Will man ein Gewässer zuverlässig krebsfrei bekommen, braucht man nur den Aal zu setzen. Wo er nie heimisch war, dort gehört er auch nicht hin, auch wenn es bequem erscheint, alle nur denkbaren Fischarten unmittelbar vor der Haustür zu fangen. Kein Jäger käme auf die Idee, den Eisbären im Fichtelgebirge anzusiedeln, nur weil er ab und an auf Bärenhatz gehen will. Den Gewässern dagegen wird gelegentlich eine Raubfischdichte zugemutet, die unter natürlichen Umständen entweder gar nicht oder nur sehr ausgedünnt vorhanden wäre. Oft wird das Gewässer auf seine fischereiliche Freizeitfunktion reduziert, die kaum Rücksicht auf die natürliche Zusammensetzung der Gewässerfauna nimmt. Diese Nutzungsart ist mit dem Natur- und Artenschutzgedanken des bayerischen Fischerei- und Naturschutzrechtes nicht in Einklang zu bringen.

    Eine Wiederansiedelung des Edelkrebses in bislang krebsfreien Gewässern in Oberfranken ist wohl nur dann sinnvoll, wenn vorher die Gewässervoraussetzungen geschaffen worden sind und die Besatztiere aus einem garantiert krebspestfreien Bestand aus der Umgebung stammen. Ganz sicher gehört dazu auch die Renaturierung begradigter Bäche, soweit sich dies gegen die Interessen der Landwirtschaft durchsetzen lässt. Es sollte auch überlegt werden, wie die bachnahe Teichbewirtschaftung umgestaltet werden könnte. Dem freien Zug der Fische und Krebse sollte auf jeden Fall Vorrang eingeräumt werden. Voraussetzung ist natürlich auch hier die Akzeptanz der Maßnahmen durch die betroffenen Teichwirte. Die früher aus unterschiedlichen Gründen erzwungene extensive Bewirtschaftung der Teichflächen erscheint wünschenswert, wenngleich vermutlich nur schwer durchsetzbar.

    Was bleibt ist die Hoffnung auf die Einsicht aller Beteiligter, dem Krebs, der Forelle, der Elritze und der Muschel in unseren oberfränkischen Gewässern wieder eine Chance zu geben. Mein Sohn musste auf das vergnügliche Spiel am Krebsbach verzichten. Vielleicht gelingt es uns ja irgendwann viele Gewässer soweit zu renaturieren, dass seine Kinder wieder unbeschwert und ohne großen Schaden anzurichten, die vielfältige Fauna eines Krebsbaches erkunden können.

  13. Fußnoten
    1. Vgl. Wesenberg-Lund, C.: Biologie der Süßwassertiere, Wien 1939, S. 543 f.
    2. Brehms Tierleben, Allgemeine Kunde des Tierreichs, Niedere Tiere, Leipzig und Wien 1893, S. 20 f.
    3. Vgl. Kaestner, A.: Lehrbuch der speziellen Zoologie, Band 1, 4. Teil wirbellose Tiere, Stuttgart u. a. 1993, S. 994 f.
    4. Vgl. Klupp, R.: in: Fischerei in Oberfranken, Bezirksfischereiverband Oberfranken e. V. (Hrsg.), Bayreuth 1985, S. 199
    5. Vgl. ebenda, S. 199
    6. Vgl. Westman K. and Westman P.: Finnish Game and Fisheries Research Institut, Aquaculture Division, Helsinki 1992, S. 3
    7. Vgl. Meike, E.: Der Edelkrebs (Astacus astacus L.) im nördlichen Fichtelgebirge, Diplomarbeit, Bayreuth 1995, S. 47 ff.
    8. Brehms Tierleben, a. a. O., S. 13
    9. Vgl. Klupp, R.: a. a. O., S. 204
    10. Vgl. Bohl, E.: Untersuchung an Flusskrebsbeständen, Kurzfassung, Bayerische Landesanstalt für Wasserforschung, Wielenbach 1989, S. 21
    11. Vgl. ebenda, S. 21 f.
    12. Vgl. Westman & Westman, a. a. O., S. 7
    13. Der Signalkrebs ist nicht wirklich resistent. Auch er kann an der Krebspest zu Grunde gehen. Allerdings ist kein seuchenhaftes Auftreten des Fadenpilzes Ahanomyces astaci bekannt, so dass vermutet werden darf, dass viele Individuen eines Bestandes dem Parasiten widerstehen können. Erfolgt aus einem solchen Bestand heraus die Bestockung eines Gewässers, besteht die Gefahr der Übertragung der Krebspest auf evtl. vorhandene einheimische Bestände.
    14. Vgl. Söderbeck, B.: Interactions among juveniles of two freshwater crayfish species and a predatory fish. Oecologia 100 1994, S. 229 ff.
    15. Vgl. Guan, R.Z. & Wiles, P. R.: Ecological impact of introduced crayfish in a British lowland river. Conservation Biology 11(3) 1996, S. 641 ff.
    16. Vgl. Schadt, J.: Fische, Neunaugen, Krebse und Muscheln in Oberfranken, Bezirk Oberfranken (Hrsg.), Bayreuth 1993
    17. Vgl. Meike, E.: a. a. O., S. 55 f.
    18. Vgl. Klupp, R.: a. a. O., S. 208
    19. Vgl. Bohl, E.: a. a. O., S. 26
    20. Vgl. ebenda, S. 29
    21. Vgl. ebenda, S. 24 und 28